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Mobilität in der Stadt

Stadtverkehr ist heute kompliziert, dreckig, stressig und für Radfahrerinnen und Fußgängerinnen, insbesondere Menschen mit Rollatoren, Kinderwagen, Seebehinderte, Menschen in Rollstühlen uvm. werden systematisch benachteiligt. Sie erhalten wenige Flächen insgesamt, müssen diese mit anderen Verkehrsarten teilen und werden oft auch zugeparkt. Dies führt zu mehr Stress und Unmut. Es macht die Städte unattraktiv und sorgt dafür, dass dort niemand leben möchte. Dies führt dann wieder zu mehr Verkehr, weil Menschen vor diesen Bedingungen auf das Land fliehen.

Bevor wir zeigen wie es anders gehen könnte, wollen wir auf zwei wichtige Gesetzmäßigkeiten eingehen. Das ist einmal der induzierte Bedarf, der erklärt wie u.a. breitere Straßen mehr Autoverkehr verursachen, und das Downs-Thomson-Gesetz, das einen wesentlichen Faktor für flüssigen Verkehr in Städten aufzeigt.

Induzierter Bedarf

Der Autoverkehr führt regelmäßig zu Staus, die wir jeden Morgen ausführlich im Radio vorgelesen bekommen können. Zur Vermeidung wird oft vorgeschlagen weitere Spuren zu ergänzen. Und wäre die Menge an Autos und die gefahrenen Kilometer konstant und unabänderlich, könnte man damit tatsächlich Engstellen beseitigen. Unglücklicherweise funktioniert die Realität anders. Durch mehr Platz fürs Auto werden mehr Wege attraktiv für das Auto. Dadurch steigt deren Nutzung und der positive Effekt der neuen Spur wird schnell kompensiert. Dies nennt sich induzierter Bedarf.

Induzierten Bedarf gibt es auch bei anderen Transportarten wie Fußverkehr, Radverkehr und ÖPNV. Jedoch gehen diese Formen des Transports viel schonender mit den Ressourcen um. Eine sechsspurige
Autobahn hat in etwa die selbe Kapazität wie eine zweispurige S-Bahnlinie. Dabei ist sie sehr viel günstiger zu errichten und ihre Kapazität kann leicht skaliert werden durch längere Züge und eine höhere Frequenz. Fahrräder und zu Fuß Gehen verbrauchen am wenigsten Fläche und haben zudem noch einen positiven Gesundheitsaspekt. Während für Autos ganze Stadtteile abgerissen werden müssen und Schneisen durch Städte geschlagen werden, können Rad- und Fußverkehr leicht integriert werden.

Downs-Thomson Paradox

Das Downs-Thomson Paradox besagt, dass der Autoverkehr in einer Stadt solange immer schlecht wird bis es zeitlich gleichwertig wird mit dem öffentlichen Nahverkehr. Dieses Paradox kann auch auf andere
Verkehrsformen wie Fußverkehr und Radverkehr ausgedehnt werden. Menschen tendieren dazu die für sie schnellste Option zu wählen.

Besonders kritisch ist die Situation, wenn der ÖPNV sich die Infrastruktur mit Autos teilen muss. Stehen also die Autos im Stau tut es auch der Bus. Damit bleibt der ÖPNV immer langsamer als der Autoverkehr. Das führt zudem dazu, dass nur Menschen, die arm sind oder anderweitig kein Auto benutzen können auf den ÖPNV ausweichen.

Will man diesem Effekt entgehen, müssen ÖPNV, Fuß- und Radverkehr sichere eigene Wege bekommen mit wenigen Konfliktzonen mit dem Auto. Dies erhöht deren Nutzung und entlastet die Straßen. Am Ende profitieren davon auch die Autofahrer, weil der Autoverkehr abnimmt.

Ampeln

Ampeln spielen heute eine zentrale Rolle den Verkehr zu regeln und zu steuern. Für die Gestaltung und Planung von Ampeln kann unterschiedlich vorgegangen werden und es können unterschiedliche Sensoren eingesetzt werden um den Verkehrsfluss und den Bedarf in die Länge der Ampelphasen einzubeziehen. Ampeln können sehr einfach gestrickt sein, sodass erst eine Richtung fahren darf und dann die andere. Das bringt viele jedoch viele Konfliktzonen hervor. Haben Autofahrer, die rechts abbiegen, Fußgänger und Radfahrer gleichzeitig grün, könnte ein unachtsamer Autofahrer das Leben anderer Verkehrsteilnehmer riskieren.

Die Länge der Ampelphasen hat ebenfalls Einfluss auf die Sicherheit und den Komfort für alle Verkehrsteilnehmer. So kann man die Dauer recht kurz halten damit beide Richtungen bei einer Kreuzung schnell grün erhalten was die Wartezeit für Autofahrer verkürzt. Das bedeutet aber, dass Fußgänger auf Mittelinseln ausharren müssen.

Besser ist es deshalb Ampeln so zu gestalten, dass eine Kreuzung möglichst sicher für alle ist und nicht primär auf den Autoverkehr ausgelegt wird. In den Niederlanden hat an Kreuzungen der ÖPNV immer Vorrang. Was auch nachvollziehbar ist, schließlich sind dort in einem Fahrzeug leicht 50-100 Personen während die Anzahl bei 1,3 Personen pro Auto liegt.

Während Fahrzeugsensoren für Autos auch in Deutschland üblich sind, gibt es diese in den Niederlanden auch für den Radverkehr. Damit lassen sich Ampeln auch nach dem Bedarf des Radverkehrs steuern und so z.B. längere Grünphasen einrichten.

Rad-Infrastruktur

Gute Rad-Infrastruktur zeichnet sich dadurch aus, dass Radfahrer sicher und ohne Benachteiligungen durch die Stadt und übers Land kommen. In diesem Artikel geben wir nur einen kurzen Überblick der Maßnahmen. Im Detail lassen sich damit Bände füllen.

  • Sichere Infrastruktur bedeutet dort wo Autos schnell fahren brauchen Räder separate und breite Wege, sodass auch sicheres überholen von langsameren Rädern möglich ist und auch Lastenräder aneinander vorbeipassen.
  • An einmündenden Seitenstraßen niedriger Priorität müssen Radweg und Fußweg auf ihrem Niveau bleiben und der einmündende Verkehr muss hoch und wieder runter fahren. Das signalisiert den Autofahrern wer Priorität hat und worauf sie zuerst achten müssen.
  • Ampeln (siehe oben) müssen so geschaltet werden, dass Radfahrer sicher abbiegen können. Das bedeutet auch, dass Autos nicht rechts abbiegen während Radfahrer*innen geradeaus fahren dürfen. Eine Lösung besteht darin, dass Radfahrer*innen und Fußgänger*innen zuerst grün bekommen und anschließend Autos. In den Niederlanden gibt es auch den Modus, dass der Radverkehr gleichzeitig für alle Richtungen grün erhält, weil dies bei niedrigen Geschwindigkeiten gut funktioniert.
  • Straßen niedrigerer Prioriät sollten eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h haben. Dies erlaubt es die Straßen gemeinsam zu nutzen. Die Radien bei Einmündungen und Kreuzungen werden so gestaltet, dass Autos langsam um die Ecke fahren müssen. Sie sind freizuhalten von parkenden Autos um die Sicht um die Ecke zu verbessern.
  • Die Fahrbahnen werden relativ schmal ausgeführt und wenn möglich auch leicht kurvig ausgeführt um für Fahrer*innen mehr Sinneseindrücke zu erzeugen. Das führt dazu, dass Menschen ihre Geschwindigkeit besser wahrnehmen und sie dadurch langsamer fahren.
  • Als letztes sei noch erwähnt, dass es hilfreich ist dem Radverkehr möglichst direkte Wege anzubieten, während Autos aus dem Stadtkern und Stadtteilzentren herausgehalten werden sollen. Dies steigert die Attraktivität des Fahrrads und sorgt damit für weniger Autoverkehr. Davon profitieren auch die verbleibenden Autofahrer*innen.

Ein Nebeneffekt besserer Radinfrakstruktur ist zudem, dass Menschen wichtige Dienstleistungen, Geschäfte udg. in ihrer lokalen Umgebung suchen. Dies hilft dabei lokale Geschäfte zu erhalten und so weiteren Verkehr zu vermeiden.

ÖPNV

ÖPNV erlaubt es recht viele Menschen in kurzer Zeit von A nach B zu transportieren. Für die städtische Mobilität kann der ÖPNV einen wichtigen Beitrag leisten um Straßen zu entlasten. Dies gelingt aber nur dort wo er schneller und bequemer als das eigene Auto ist (siehe Downs Thompson Paradox). Damit dies gelingt sollte er weitestgehend separate Trassen nutzen und mit anderen Mobilitätsangeboten verbunden werden per App und über Infrastruktur wie Mobilitätsstationen.

Busse und Kleinbusse bieten eine gute Möglichkeit ÖPNV günstig zu realisieren wenn die Anzahl an Kund*innen klein ist. Sie lassen sich auch auf normalen Autostraßen einsetzen und erfordern nicht zu Beginn große Investitionen. Allerdings halten Busse nicht so lange wie schienengebundene Fahrzeuge, sie sind weniger komfortabel und ihre Kapazität ist begrenzt.

Trams dagegen sind teurer in der Anschaffung und die Investitionen in den Fahrweg sind höher. Aber einmal angeschafft, können sie über Jahrzehnte genutzt werden. Trams sind sehr wandlungsfähig. Sie können in der Stadt fahren aber auch Gleise der Bahn nutzen. Es gibt Varianten, die Teilstücke per Akku befahren können, sodass z.B. in historischen Stadtkernen keine Leitungen verlegt werden müssen uvm. Im Gegensatz zu Bussen kann der Fahrweg der Trams begrünt werden. Das reduziert den Lärm und sorgt für ein gutes Stadtklima. Dank federnd gelagerter Schienen, Radabdeckungen, Einzelradaufhängung und Radlenkern sind rumpelnde und quietschende Geräusche der Tram heute vermeidbar. Damit ist sie meist leiser als der Autoverkehr und Busse, welcher ab 30 km/h laute Abrollgeräusche produziert.

Wesentlich teurer aber mit ebenso größerer Kapazität können U- und S-Bahnen insbesondere auf längere Strecken viele Menschen schnell ans Ziel bringen. So transportiert die Yonge Subway in Toronto 30 000 Passagiere pro Stunde während sechs Spuren Autobahn 6 000 – 7 000 Passagiere transportiert. Das ist in etwa Faktor 5. In Zukunft soll die Kapazität durch moderne Signalsysteme auf 40 000 gesteigert werden und damit 6 mal mehr Menschen transportieren können als der Highway (siehe Induced Traffic Video).

Fazit

Der Verkehr in der Stadt ist heute laut, dreckig, ineffizient und stressig für die Bewohner*innen und alle die unterwegs sind. Das war nicht immer so und das muss vor allem nicht so bleiben. Es gibt eine Reihe an Lösungen, die den Verkehr besser gestalten und die Stadt wieder zu einem lebenswerten Ort machen. Einiges davon haben wir in der 15-Minuten-Stadt beschrieben, welche die Wege verkürzt und damit Verkehr reduziert sowie andere Modi attraktiver macht. Hier haben wir gezeigt, wie gute Radinfrastruktur und guter ÖPNV deren Nutzung attraktiver macht und damit die Notwendigkeit von Autoverkehr reduziert.

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